Hallo,
ich möchte etwas Grundsätzliches zum Thema 'Seerosensorten nach Bildern bestimmen' sagen und warum ich das eigentlich nicht machen möchte.
Bei den Seerosensorten herrscht ein gewaltiges Durcheinander was die Sortennamen angeht. Über viele Jahrzehnte waren
Seerosen für die Gärtnereien uninteressant und fristeten ein Schattendasein. Da Teiche nur betoniert oder mit Lehm abgedichtet werden konnten, hatte fast niemand einen Teich im Garten. Was nicht gut verkauft werden kann, das ist für eine wirtschaftlich arbeitende Gärtnerei uninteressant. Man kann nicht viel Zeit in die Pflege investieren, und so kommt es auch immer wieder dazu, dass solche Pflanzen mit anderen Sorten durcheinander wachsen und letztlich ihre Identität verlieren.
Erst die Einführung der Teichfolien hat diese Situation grundlegend geändert. Plötzlich war ein Bedarf an Seerosen vorhanden und der Markt musste bedient werden. Die wenigen Gärtnereien, die noch Seerosen kultivierten, konnten ihn nicht decken und so kamen auch Pflanzen mit unklarer Herkunft auf den Markt. Es war auch für uns schwer an echte Sorten zu kommen. Unter dem gleichen Namen wurden (und werden) sehr verschiedene Pflanzen angeboten. Seit Asien in diesen Markt eingestiegen ist, ist das noch einmal schlimmer geworden, jetzt kann man in China jede Sorte zu Spottpreisen ordern und bekommt dann irgendwas geliefert. Vertickt werden die Sachen oft von Händlern ohne Sachkenntnis (Auktionshäuser und Discounter), und da fliegt die Fehlbestimmung dann sowieso nicht auf.
Wer schon einmal eine chinesische Seerosengärtnerei gesehen hat bei der die Teiche mehrere Hektar groß sind und die Pflanzen ohne vernünftige Abtrennung darin durcheinander wuchern, der kann sich vorstellen dass es nicht einmal bösen Willen braucht um hier ein Durcheinander zu erzeugen. Die Seerosen tun ein Übriges dazu, kreuzen sich darin munter und überall keimen Sämlinge dieser Kreuzungen. Die Seerosen aus solchen Gärtnereien können also sortenecht sein, falsch bestimmt oder gar keine Sorte sondern ein unbenannter Sämling. Alles das kann unter dem gleichen Sortennamen angeboten werden, und keiner merkt es.
Sämlinge können einer echten Sorte durchaus ähnlich sehen. Aber sie müssen deswegen noch lange nicht die Eigenschaften dieser Sorte haben. Was nützt es mir, wenn eine Seerose tatsächlich oberflächlich wie 'Sunny Pink' aussieht, aber absolut blühfaul ist? Oder sie sieht aus wie die Zwergsorte 'Perrys Baby Red', wuchert aber wie verrückt. Es ist im Interesse aller Teichbesitzer, dass unter dem Namen einer Sorte auch nichts anderes als die echte Sorte angeboten wird. Nur so können wir Pflanzen aussuchen, die für unseren speziellen Teich auch wirklich passen.
Jetzt stellt euch vor, ihr habt von irgendwoher ein Seerose bekommen, vielleicht sogar mit Namen. Leider habt ihr den Namen vergessen, stellt ein Bild davon ins Forum und jemand sagt dann 'ganz klar, das ist eine Sunny Pink!'. Dummerweise ist es aber der blühfaule Doppelgänger. Was werdet ihr machen? Ihr glaubt natürlich was man euch sagt, und wenn Tante Frieda kommt und einen Ableger davon will, dann trägt sie den als 'Sunny Pink' nach Hause und im nächsten Jahr versorgt sie alle ihre Freundinnen mit Ablegern davon. So verbreiten sich x-beliebige Seerosen unter einem falschen Namen. Wenn wir bei meinem Bespiel bleiben, dann kann sowas den Ruf einer Sorte auch ruinieren: Sunny Pink? Brauchst du gar nicht probieren, die blüht sowieso nicht!
Da die Situation seit dem Seerosenboom der letzten Jahre immer schlimmer wird, haben sich einige engagierte Seerosenkultivateure weltweit zusammengeschlossen und das 'Truly Named' Programm ins Leben gerufen. Jede Gärtnerei, die bei diesem Programm mitmacht, muss ein langwieriges Prüfungsverfahren durchlaufen. Bei allen ihren Seerosensorten muss sie die Herkunft bis hin zum ursprünglichen Züchter nachweisen, erst dann bekommt sie das Zertifikat 'Truly Named' für ihre Seerosen. Bei modernen Sorten geht das relativ einfach, denn die kann man noch direkt beim Züchter einkaufen. Bei alten Sorten von Marliac oder anderen ist das schon viel schwieriger. Da muss ich die Gärtnerei anfragen, von der ich die Mutterpflanzen erworben habe, woher sie ihrerseits die Mutterpflanzen hat. Das ergibt dann eine Kette von Anfragen, die dann irgendwann in der Gärtnerei von Marliac enden muss. Habe ich diesen Nachweis erbracht, muss ich Bilder von meiner Seerosensorte einreichen (und zwar sehr viele Bilder, nicht nur von den Blüten sondern auch von Rhizomen, Blättern, Stielen usw.), die dann von Experten beurteilt werden ob es sich tatsächlich um die echte Sorte handelt. Wer mehrfach Sorten unter einem falschen Namen verkauft, dem wird das Zertifikat sofort wieder entzogen.
Wir sind mit unserer Gärtnerei gerade mitten drin in diesem Verfahren. Es ist zeit- und arbeitsaufwendig und damit teuer. Finanziell wird es sich sicherlich nicht auszahlen, denn für die korrekt bestimmten Sorten lassen sich keine höheren Preise erzielen. Uns ist die Sache aber ein Anliegen, nur so läßt sich die Vielfalt der Seerosensorten auf Dauer erhalten.
Bitte habt Verständnis dafür, dass ich es ablehne absolut unbekannte Seerosensorten nach Bildern zu bestimmen. Wenn jemand drei Seerosen mit Namen im Teich hat und nicht mehr weiß welche nun welche ist, dann kann man natürlich bestimmen. Sind keine Namen bekannt, dann trägt jeder Bestimmungsversuch nur dazu bei das bestehende Durcheinander noch weiter zu vergrößern. In so einem Fall kann ich nur sagen: Du hast da eine hübsche gelbe/rote/weiße Seerose. Belasst es dabei, und wenn ihr Ableger weitergebt, dann sagt auch dass sie keinen Namen hat, aber sehr hübsch in dieser und jener Farbe blüht.
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Werner
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