13. Februar 2008, 14:29 Uhr
TÖDLICHER PILZ
Fröschen droht die Ausrottung
Von Nicole Simon
Es könnte bald still werden an Seen, Teichen und Wiesen - kein Quaken mehr, kein heimeliger Froschgesang. Wissenschaftler befürchten die vollkommene Ausrottung der
Frösche. Ein Pilz bedroht die Existenz der Amphibien - er könnte das größte Artensterben seit dem Ende der Dinosaurier auslösen.
Fröschen wird das größte Artensterben seit dem Tod der Dinosaurier vor 65 Millionen Jahren prophezeit. Schuld ist ausgerechnet ein Artgenosse - der Krallenfrosch -, der einen gefährlichen Pilz eingeschleppt hat.
Amphibien besiedeln unsere Erde schon seit 300 Millionen Jahren und haben die Säugetiere an Formen- und Farbenreichtum schon lange überholt. 5500 Arten wurden bislang entdeckt, 3000 weitere Arten von
Kröten,
Unken und Fröschen sind fleißigen Zoologen wahrscheinlich noch nicht in den Käscher gehüpft, vermuten Fachleute.
Doch jedes Jahr sterben nach Überzeugung der internationalen Tierschutzorganisation Amphibian Ark mindestens zehn Froscharten allein durch den für sie verhängnisvollen Chytridpilz aus. Weltweit sind damit ein Drittel bis die Hälfte aller Amphibien unmittelbar vom Aussterben bedroht. Naturschützer schlagen Alarm: "Es gibt die reale Möglichkeit, dass ein Großteil einer kompletten Kategorie von Tieren weltweit ausstirbt - wenn wir uns nicht darauf vorbereiten, schnell zu handeln", schreibt Schirmherr Sir Richard Attenborough in einem Grußwort zur Kampagne "Jahr des Frosches".
Eingeschleppt auf dem Rücken von Laborfröschen
Ist der Chytridpilz erstmal eingeschleppt, bedeutet das für 80 Prozent der Amphibien binnen weniger Monate den Tod. Auch in Deutschland konnte der Pilz schon bei Salamandern und Erdkröten nachgewiesen werden.
Alex Rübel, Direktor des Züricher Zoos, zu SPIEGEL ONLINE: "Die Pilze greifen die Haut der Frösche an und verstopfen die Poren, das ist besonders schlimm, da Frösche auch über ihre Haut atmen. So droht ihnen nach Befall der Erstickungstod." Vermutlich wurde der Pilz seit den dreißiger Jahren durch die Einfuhr afrikanischer Krallenfrösche in Forschungslaboratorien eingeschleppt und weltweit verbreitet.
Dem Krallenfrosch konnte der Pilz nichts anhaben - der hat eine Resistenz gegen den Schädling entwickelt. Dieser Abwehrmechanismus fehlt den Arten anderer Kontinente, und so wurde der Export aus den Herkunftsländern in fremde Ökosysteme für die hier heimischen Frösche zu einem schwerwiegenden Problem. Bei ihnen löst der Pilz die Pilzerkrankung Chytridiomykose aus.
"Diese widerlichen, ekelerregenden Tiere"
In der Forschung leistet der Krallenfrosch seit vielen Jahren wichtige Arbeit. Zwischen 1930 und 1960 wurde er etwa für Schwangerschaftstests eingesetzt. Der Urin von Frauen wurde weiblichen Amphibien unter die Haut gespritzt. War die Frau tatsächlich schwanger, wurde der Zyklus des Froschs durch das Schwangerschaftshormon HCG (Chorion-Gonadotropin) zum Eisprung angeregt. Neben dem Einsatz als lebender Schwangerschaftstest lieferte der Frosch vielen Forschern auch wichtige Erkenntnisse über die Embryonalentwicklung.
Nun aber ist der Pilz auf dem Transportmittel Krallenfrosch überall in der Welt verbreitet worden: In Mittelamerika konnte man schon vor einiger Zeit beobachten, wie der Befall sich jedes Jahr um weitere 50 Kilometer ausbreitete. Um auf die Bedrohung aller Amphibien hinzuweisen, hat die Weltnaturschutzorganisation IUCN gemeinsam mit dem Weltzooverband WAZA das Jahr 2008 zum "Jahr des Frosches" ausgerufen und die Amphibien-Arche gegründet, denn viele tropische Amphibien werden schon bald verschwunden sein. Bei einer geschätzten Zahl von 500 Amphibienarten, könne schon jetzt die Bedrohung nicht schnell genug gemindert werden um das Aussterben zu verhindern, so die Tierschützer.
Die größte Aufgabe für Wissenschaftler und Artenschützer ist es nun, den Pilz möglichst auszurotten oder für die Tiere ungefährlich zu machen. "Eine Möglichkeit, an wir derzeit arbeiten, ist Tiere mit einer Resistenz gegen den Pilz gezielt zu züchten", sagt Rübel. Er ist zuversichtlich, dass man viele Arten schützen könnte, wenn genügend Geldmittel zur Verfügung gestellt würden.
Nun fühlen sich nicht alle Menschen den Fröschen verbunden. Der berühmte schwedische Naturforscher Linné war von Fröschen angewidert: "Diese widerlichen, ekelerregenden Tiere sind verabscheuungswürdig wegen ihres kalten Körpers, der grimmigen Erscheinung, des berechnenden Auges und des anstößigen Geruchs."
Dabei vergaß der Naturfreund vielleicht, dass diese Tiere eine wichtige Rolle in ihren Ökosystemen spielen. "Frösche fressen Insekten wie Mücken und Moskitos, die andere Tiere nicht anrühren. Fehlt dieses Glied in der Nahrungskette, gerät das natürliche Gleichgewicht aus der Balance: Es drohen Insektenplagen", sagt Rübel.
mit Material von ddp
URL:
http://www.spiegel.de/wissenschaft/mensch/0,1518,534985,00.html